

Eine Firma ist kein Selbstzweck – sondern ein Instrument
Das Leben als Unternehmer wird von vielen Menschen idealisiert – vor allem von Eigentümern selbst. Ohne ein gewisses Maß an Selbstbetrug würde sich wohl niemand die ganzen Aufgaben auf die Schultern laden. Ständig wächst die Arbeitsbelastung, immer wieder gilt es, mal eben spontan und parallel zum hohen Arbeitspensum ein neues Problem zu lösen.
Je größer die Firma wird, desto mehr Probleme landen auf dem Chef-Schreibtisch. Was funktioniert, übernehmen schließlich andere. Der Inhaber ist nur gefordert, wenn keiner mehr weiter weiß. Warum tun Existenzgründer sich das freiwillig an?
Außenstehende denken oft, wer eine Firma gründet, dem ginge es nur ums Geld. Doch das stimmt so nicht. Die meisten treibt eine ganz individuelle Wunschvorstellung eines erfüllten Lebens. Für sie ist eine Firma kein Selbstzweck, sondern ein Fahrzeug, das den Inhaber an sein Ziel bringt, das er für sich persönlich definiert hat. Und da liegt eine Gefahr. Denn Deine Firma ist NICHT dein Baby.
„Reich werden“ ist kein Unternehmensziel
Nach über 20 Jahren im Business würde ich jedem empfehlen, sein eigenes Ziel für sich zu klären: Wo will ich im Leben eigentlich hin? Warum möchte ich genau dieses Ziel erreichen? Anschließend sollte er prüfen, ob die Art und Weise, wie er aktuell beruflich aufgestellt ist, ihm hilft, dieses Ziel zu erreichen. Ist das nicht der Fall, wäre eine radikale Kursänderung empfehlenswert.
Natürlich sind auch Kompromisse nicht grundsätzlich schrecklich. Doch man wird niemals sein volles Potenzial ausschöpfen können, wenn man nicht das eigene Kettenhemd abstreift. Ob die Selbstständigkeit dafür der perfekte Weg ist, muss jeder für sich beantworten. Aus meiner Sicht müssen Sie eine Firma nicht besitzen, um unternehmerisch zu wirken. Stellen Sie einfach immer wieder Ergebnisse sicher. Dann werden Sie die gleichen Vorzüge ohne die rechtlichen Herausforderungen genießen können. Das Leben ist kein Rennen.
Chef ist immer der Kunde
Die Vorstellung eines Lebens als Firmenbesitzer umgibt viele Mythen. Einigen bin ich bereits im Rahmen meiner Diplomarbeit zum Thema Existenzgründung begegnet. Mich faszinierte bei meiner Recherche, welche Menschen warum ein Business starten. Da gab es die, die davon träumten, nicht mehr vor 10 Uhr aufzustehen und spätestens am Nachmittag die Arbeit zu beenden. Oder die Mutigen, die direkt neben einem Supermarkt einen Lebensmittelladen eröffnen wollten.
Vor allem zwei Ideen waren weit verbreitet, die nach wie vor unausrottbar scheinen: Unternehmer in spe wollen „ihr eigener Chef“ sein. Und sie wollen „sich ihre Zeit selbst einteilen können“. Beides ist – gelinde gesagt – eine Illusion. Ihr eigener Chef sind erfolgreiche Businessleute eigentlich nie. Rechtlich mag einem die Firma gehören, doch Chef ist immer der Kunde. Nur er entscheidet, ob die Firma wächst, welche Dienstleistungen und Produkte im Schaufenster stehen und welche Öffnungszeiten erforderlich sind.
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Ich will Reisen. Mein Team nehme ich mit. Wir arbeiten überall.
Geschäftsführer bleiben immer Diener fremder Herren
Auch die freie Zeiteinteilung bleibt für viele unerfüllt. Denn immer, wenn sie mit anderen Menschen interagieren, müssen sie sich mit deren Interessen arrangieren. Sie laufen Gefahr, instrumentalisiert zu werden – die gängigste Methode dabei ist übrigens die E-Mail. Um wirklich frei zu agieren, müssen Inhaber wahrhaftig Unternehmer werden – Geschäftsführer bleiben immer „Diener fremder Herren“.
Daher meine Empfehlung für jeden Existenzgründer: Lösen Sie sich von der Rolle des geschäftsführenden Sachbearbeiters. Steigen Sie, so schnell und soweit es geht, aus dem operativen Tagesgeschäft aus. Nur so vergrößern Inhaber ihren Handlungsspielraum und gewinnen Zeit, in der sie über strategische Dinge nachdenken können.
Deine Firma ist nicht dein Baby
Zu guter Letzt gibt es noch die vielen Unternehmer, die schlicht ihre Leidenschaft ausleben wollen. Sie sehen ihre Firma als „Baby“ und opfern sich Tag und Nacht auf. Verfolgen Projekte, die zum Scheitern verurteilt sind, investieren Energie, verzichten auf Gehalt und können nicht loslassen. Viele denken, mit nur genug Herzblut sei der Firmenerfolg garantiert. Ich sehe das kritisch. Genauso entstehen Senfläden, Stores für selbstgenähte Hundehalsbänder und ähnliche Liebhaberprojekte.
Meine Meinung? Man sollte seine Leidenschaft nicht suchen, sondern entwickeln. Die meisten erfolgreichen Firmen sind nicht entstanden, weil jemand alle Marktfaktoren ignoriert hat und stur seiner Begeisterung folgte. Sie entstanden vielmehr, weil der Gründer andere Menschen beobachtete, die wiederholt mit bestimmten Problemen konfrontiert waren.
Denn wann sind die Erfolgschancen für ein Business hervorragend? Wenn jemand ein marktrelevantes Problem erstmalig oder besser als andere lösen kann. Diese Absicht muss einem aber wirklich ernst sein. Schnelle Millionen gibt es nur im Kasino – wenn überhaupt. Der Aufbau eines profitablen Business ist ein Langzeitprojekt. Jeff Bezos wird heute für seinen finanziellen Erfolg bewundert. Doch oben angekommen ist er nur, weil ihn fünf Jahre Verluste nicht aufhalten konnten.
Genießen Sie die Reise – und holen Sie sich Tipps
Inhaber müssen lernen, ein rationales Verhältnis zu ihrem Geschäft aufzubauen. Wer emotional zu sehr drinhängt, steht sich selbst im Weg. Um sein Business profitabel führen zu können, sollten Eigentümer es als das betrachten, was es ist: ein Instrument für ein erfülltes Leben. Deine Firma ist nicht dein Baby. Deinem Baby wirst du dinge verzeihen, die du in deiner Firma nicht dulden darfst.
Und am Ende geht es nicht darum, so schnell wie möglich den Gipfel zu erklimmen. Ich plädiere mehr dafür, den Trip zu genießen.
Wer mit dem Gedanken spielt, ein Business zu gründen oder noch am Anfang steht, sollte keine Scheu haben, sich Tipps zu holen. Die beste Quelle sind erfolgreiche Unternehmer aus der Praxis – mit Personalverantwortung und mehr als zehn Jahren Erfahrung. Hören Sie zu, lesen Sie Bücher, abonnieren Sie Podcasts, besuchen Sie Vorträge.
In meinen Büchern „55 Business-Turbos für KMU“ und „So bauen Sie ein profitables Unternehmen“ finden Sie ebenfalls jede Menge Tipps und Anleitungen für einen erfolgreichen Start und Werdegang als Unternehmer – alles in der Praxis selbst erprobt und ausprobiert.
Ihr Philip Semmelroth
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